Zentralasien

Alltagseindrücke in Aqtau: Auf der Suche nach der Parade

Überall im Zentrum hängen ganze Fahnenkompositionen in Türkis und Blau zum 1. Mai. Die Botschaft hat aber zumindest in diesem Jahr nichts mit der Welt der Arbeit zu tun, sondern es geht um Frieden und Völkerverständigung – Hintergrund ist natürlich der Krieg in der Ukraine. Wir hatten schon in Atyrau von ‚unserem‘ Direktor gehört, dass auch der Tag des Sieges am 9. Mai in Kasachstan unter dem Eindruck des Krieges steht und mit Kritik an der russischen Regierung verbunden ist, zugleich aber eine große ökonomische Abhängigkeit zum großen Nachbarn besteht.

Jedenfalls sind wir heute von unserem Vorstadthotel mit dem Bus in die Stadt gefahren, um zu schauen, ob es irgendeine 1. Mai-Parade gibt. Die Fahrt ging in diversen  Schleifen durch verschiedene Viertel der Stadt, der Bus war voll. Preis der Fahrt: 15 Cent oder 70 Tenge, kassiert wird im Bus durch eine Schaffnerin, bar oder digital. Apropos Preise: Kaffee in der Stadt 1, 40 €, Taxifahrt mit Yandex (Uber-Pendant) 5 km  für 1 €,  Essen Restaurant Mittelklasse 7,50 €, hochwertiges Stück Kuchen  (wird hier gern genommen) ab 2 €, Diesel 60 Cent/90 Cent für Ausländer, Benzin 50 Cent – am günstigsten ist Gas, womit hier sehr viele Fahrzeuge betrieben werden. Überhaupt ist Mobilität , v.a. automobile hier ein zentraler Wert, ähnlich wie in Albanien oder auf etwas andere Art in Deutschland. Hier werden fette Karren gefahren, sehr viel, gasbetriebene schwere Geländewagen, besonders gern Toyota Landcruiser. Der Verkehr ist absolut rabiat, es wird gern gehupt und Rücksichtnahme ist zumeist ein Fremdwort.

Zurück zu Parade – wir haben sie nicht gefunden, wahrscheinlich gab es sie nicht. Stattdessen landeten wir in einem Shoppingcenter, wo voller Betrieb war – Feiertag und alle Geschäfte auf, mit großer Schlittschuhbahn am 1. Mai. Wir nutzten die Gelegenheit, um ein paar Besorgungen zu erledigen, .v.a. etwas leichte Bekleidung, da wir auf die baldige Hitze klammottentechnisch noch nicht so gut vorbereitet waren.
Kasachstan ist ein hartes Land, fossiler Kapitalismus, heftige Klassengesellschaft, rüder sozialer Umgang, eine Gesellschaft auf der Suche nach nationaler Identität. Und: zu unserer Überraschung hochgradig digitalisiert, fast alle Bezahlvorgänge laufen per App. Selbst alte Menschen, weit jenseits der 70 hantieren selbstverständlich mit einem einfachen Smartphone, um das Busticket zu bezahlen. Unsere Begegnungen bewegen sich zwischen Desinteresse, echter Herzlichkeit, menschlicher Wärme, aber auch Neid und der Witterung eines Geschäftes zum eigenen Vorteil.

Kommentar

  • Inge und Wilfrid

    Zum Fahnenschmuck: ist es wirklich so, mit gelb / blauen Fahnen, offen Kritik am großen Bruder, und seinem Krieg mit der Ukraine, zu zeigen? Ist doch die Fahne Kasachstan himmelblau mit goldgelber Sonne, Adler und Dekor. Die 1. Mai Fahne mit Friedenstaube ist eindeutig.

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