Die Jurte zwischen Tradition und Moderne
Die Jurte ist ein Symbol des nomadischen Lebens, das vor allen Dingen in Kasachstan und mehr noch in Kirgisistan eine sehr lange Tradition hat. Der Konflikt zwischen Nomadentum und Sesshaftligkeit ist ein entscheidendes Moment in der Herausbildung dessen, was sich moderne Zivilisation nennt. Heute ist das Nomadentum auch in Zentralasien weitgehend ein Relikt vergangener Zeit. Ausnahme sind sicherlich die Hochebenen und andere geeignete Gebiete mit hohem Viehbestand in Kirgisistan. Es lebt aber auch weiter als Halb-Nomadentum, also Jurte in der Sommerzeit, festes Dach über dem Kopf in der kalten Winterzeit oder als – nennen wir es Not-Nomadentum -, wie uns Leute aus Kasachstan berichteten. Dort leben Menschen wieder nomadisch in ihren Jurten, weil sie die hohen Mieten in den Städten nicht bezahlen können.
Allerdings: Eine Jurte ist nicht einfach ein größeres Zelt, wie es wohl keiner besser beschreibt als der große kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatov (Abschied von Gülsary, 1967/2022, 85): „Viele Viehzüchter mussten damals (zu Sowjetzeiten, Anm. des Verf.) zu Zelten übergehen. Aber was war das für eine Behausung? Weder stehen noch sitzen noch Feuer machen konnte man. Im Sommer hielt man es vor Hitze nicht aus, im Winter konnte vor Kälte nicht einmal ein Hund existieren. Man konnte die Sachen nicht unterbringen, keine Küche einrichten und die Wände nicht ausschmücken. Kamen Gäste, wusste man nicht, wo man sie unterbringen sollte!“
Heute finden Jurten neben der nomadischen Verwendung auch andere Einsatzbereiche, etwa für touristische Zwecke, zum Verkauf von Waren oder für Events, wie z.B. Hochzeiten. Längst gibt es neben der traditionellen, jahrhundertelang bewährten Herstellung (reine Naturprodukte, v.a. Filz, Baumwolle und Holz sowie Verbindungen, die ohne Schrauben und Nägel auskommen) auch chinesische Nachahmung von Jurten mit hohen Kunststoffanteilen, die zwar die Kosten senkt, aber eben wenig mit dem traditionellen Produkt zu tun hat. Wir konnten uns durch einen glücklichen Zufall einer Reisegruppe aus Malaysia anschließen, als wir am Südufer des Issyk Köl eine traditionelle Jurtenmanufaktur besuchten, wo die einzelnen Produktionsschritte erklärt und für diese Reisegruppe eigens eine Jurte aufgebaut wurde. Hier ein paar Fotos und Videos…








Kommentar
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Martina &Rüdiger
Lieber Ralf, ich hoffe, wir liegen richtig aber nach unserem Kalender hast Du heute Geburtstag 🎂. Herzlichen Glückwunsch und viel Gutes für das neue Lebensjahr! Habt es gut und heute einen besonders schönen Tag. Dankeschön, dass Ihr Zwei uns auf Eure Reise mitnehmt! Herzliche Grüße aus der Ferne an Billie und Dich von uns.
Inge und Wilfrid
Wunderbar, dass Ihr das hautnah miterleben durftet. Glücklicher Zufall und positive Neugier, und vielleicht die Erkenntnis, das man auch ohne Schrauben und Baumarkt etwas sehr gutes zustande bringen kann. Ja, und Ihr erwähnt Aitmatov, den großen kirgisischen Erzähler der Natur seiner Heimat, und Kämpfer gegen den Dogmatismus. Schön wie sich Dinge auf Eurer Reise zusammen fügen und ein tiefes Bild vermitteln können. Schätzt Euch glücklich, dass Ihr dieses Abenteuer der Reise mit Mut und Kraft erleben könnt.
Wir warten mit Spannung auf weitere Erlebnisse aus Innerasien.