Zentralasien

Zwei Frauen in Shahrisabz- ’normal‘ und doch so besonders

So möchten wir zwei Frauen erwähnen, die Bewunderung verdienen. Leider haben wir keine Namen, nennen wir sie die Bäckerin und die Friseurin. Die Bäckerin ist die Chefin von Cake & Dessert – es klingt viel internationaler als es ist. Eine wunderbare Konditorei mit Kuchen, Keksen, gefüllten Hörnchen, herzhaft, aber vor allem süß. Alles ist unfassbar lecker. Die Frau steht am Tresen und strahlt eine besondere Würde aus. Sie ist sehr freundlich, aber biedert sich ihren Kundinnen und Kunden nicht an. Hier läuft nichts zack-zack. Für jede Bestellung wird sich Zeit genommmen, fast wie ein Ritual. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass es langsam geht – die Zeit, die sich genommen wird, entspricht der Qualität der Backwaren. Ein wunderbares Erlebnis und ein wahrer Genuss.
Die Begegnung mit der Friseurin war anderer Art. Es geht auch nicht um die Qualität ihrer Dienstleistung, sondern um den Menschen. Wir hatten eine Bankkarte in einem Bankomat stecken gelassen und bemerkten dies nach drei Tagen in den Bergen als wir wieder nach Shahrisabz zurückkamen. Horror! Nach einiger Rekonstruktion fuhren wir zu dem Automaten, in der Hoffnung irgendwie von dort aus weiterzukommen. Die Karte war natürlich nicht mehr da. Billie ging in den Laden nebenan – eben jener Friseurladen, wo wir auf diese besonder Frau trafen. Sie schlief noch auf dem Sofa, wurde von ihrer Tochter geweckt und war sodann voll da. Trotz Sprachbarrieren wurde schnell erfasst, um was es ging. Sie rief die Bank an und sagte in 15 Minuten sei jemand da. In der Zwischenzeit stand der Betrieb still, wir wurden gefragt, ob wir Hunger haben und die Frau rief via Internet ihren Mann an, der als usbekischer Lastwagenfahrer gerade in Berlin weilte. Wir sprachen dann also mit ihr und ihrem Mann, irgendwie, aber es war sooo herzlich. Alles war ganz unaufgeregt. Die Zahl  der Menschen im Salon stieg an, es war nicht recht ersichtlich, wer da jetzt warum da war. Und dann kam tatsächlich der Mann von der Bank, dachte aber der Automat habe die Karte verschluckt. Nun wurde verdeutlicht, dass sie stattdessen vergessen wurde. Erneute Telefonate, immer mit der Koordination der Friseurin. Tatsächlich war die Karte in der Bank gelandet, es werde jemand geschickt, der die Karte bringt. 10 Minuten später war die Karte da. So hatten wir nach gut einer Stunde die Karte zurück, die Wartegemeinschaft war glücklich und mit herzlichen Umarmungen verabschiedeten wir uns. Die Friseurin bekam noch ein kleines Geschenk und freute sich riesig darüber.

Kommentar

  • Marianne

    Hallo ihr beiden, ich verfolge gespannt eure außergewöhnliche Reise. Bin sehr beeindruckt von der dortigen Kultur und ihren architektonischen Zeugnissen und euren Begegnungen mit den Menschen. Insbesondere freute ich mich über euren Beitrag zu diesen Frauen und was ihr mit ihnen erlebt habt. In unserem gemeinsamen SozÖk Studium lag mein Augenmerk immer auch auf der Situation der Frauen und ich fragte mich, wie sie wohl in Usbekistan und den anderen Ländern Zentralasiens ist. Schön, dass ihr darauf auch den Blick richtet. Ich wünsche euch eine weiterhin tolle Reise und dass alles gut verläuft. Liebe Grüße Marianne

    • Billie und Ralf

      Wie so oft in traditionellen Gesellschaften bereits erlebt, ist es auch in Usbekistan so, dass die Frauen den Laden schmeißen, während viele Männer im Teehaus liegen und schwadronieren. Im öffentlichen Leben erscheinen die Frauen in unterschiedlichster Form: modern, elegant gekleidet in langen oder knielangen Kleidern, traditionell in Hose und langer Bluse darüber – es scheint alles erlaubt zu sein – mit und ohne Kopftuch. In der Begegnung sind die meisten offen, neugierig, lebenslustig, hilfsbereit und warmherzig und das trotz der Vielfachbelastung von Kindererziehung, Hausarbeit, Tiere versorgen und das Familieneinkommen sichern. Es macht einfach Spaß sie zu erleben und mit Ihnen zu scherzen.

  • Inge und Wilfrid

    Normalerweise sucht man einen Frisörsalon aus anderen Gründen auf. Ihr treibt es gleich auf die Spitze mit einem Dolmetsch-Experiment um eine im Geldautomaten versenkte Scheckkarte. Einfach Spitze in der Kategorie Horror. Es treibt mir die Schweißperlen auf die Stirne wenn ich mir den Moment, der Entdeckung nach drei Tagen, vorstelle.
    Der Kölner würde sagen: et is nochma jutjejange…….
    Weiter so im Glück und Abenteuer.

  • Julia

    Was für eine Geschichte!! Man kann ja fast sagen, ein Glück, dass Ihr die Karte steckengelassen habt 😜

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