Hochgebirge, Jurten, Pferde und Rinder – der Weg zum Song Köl
Unser erstes Ziel in der Natur Kirgisistans war der auf 3.200 m Höhe liegende Song Köl, ein Gebirgssee 450 km nordöstlich von Osch entfernt. Es ist der zweithöchste Gebirgssee der Welt. Zuerst führte uns eine stark befahrene Straße aus Osch in die wuselige Kleinstadt Özköl, von dort über das beschauliche Dschalal Abad in Richtung Norden. Sobald die Straße in Schotter überging, befanden wir uns in einer Gebirgslandschaft, die ein Staunen erweckte, das sogar die Bewunderung über die Pamir-Gebirgszüge übertraf. Die Gebirgsformationen wechselten innerhalb von Minuten von schroffen Felsen zu grünen Hügeln, Faltengebirge mit Schattenspielen, Sandsteinwänden und immer neuen Gebirgformationen. Die Straße schlängelte sich an einem Fluss entlang, an dem halbnomadische Kirgisen über den Sommer ihre Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Pferdeherden halten, während sie selbst in Jurten leben. In Serpentinen ging es über den 2.800 m hohen Toguz Toro Pass, wo wir ein russisch-kirgisisches Geologen-Team trafen. Kurze Zeit später kamen uns tschechische Motorradfahrer entgegen, mit denen wir uns über die Route austauschen konnten. Wir campierten in einem Tal am Fluss in der Nähe von einigen Jurten, deren Bewohner sehr zurückhaltend und schüchtern waren – aber dann doch neugierig vorbeikamen, um unsere Faltstühle zu testen.





Der nächste Tag ging landschaftlich genauso spektakulär weiter. In dem letzten Versorgungsort vor dem Song Köl kauften wir noch Brot (gab es nur im 4-er Pack) und Wasser. So hatten wir genügend Vorräte, dass wir dem US-amerikanischen Fahrradpaar, das wir 30 km später trafen, mit Wasser und Brot aushelfen konnten. Die letzten Kilometer zum See wurden die Serpentinen steiler und steiler und wir schraubten uns auf den 3.346 m hohen Moldo Aschu Pass, bevor wir die Song Köl Hochebene auf der Südwest-Seite erreichten. Eine unendliche Weite mit saftig grünen Weiden tat sich vor uns auf, weiße Jurten dahin gesprenkelt mit hunderten von Pferden und Rindern frei herumlaufend. Kurze Zeit später erreichten wir den See, umrahmt von Bergen, über denen sich ein Gewitter zusammenbraute: eine mystische, fast bedrohliche Atmosphäre. Das Thermometer fiel innerhalb von 30 Minuten von 20 auf 7 Grad und der Wolkenbruch erwischte uns glücklicherweise im Auto. Nach dem Regen suchten wir uns mitten auf der Weide einen Stellplatz für die Nacht, mit Blick auf den See und das Gebirge. Die Kälte erforderte neben den üblichen Decken den Einsatz der Schlafsäcke, denn das Thermometer sank auf knapp über 0 Grad. Die Morgensonne, die unfassbare Stille und die zauberhaften Farben entschädigten für die Kälte, Wind und Regen, so dass wir entschieden, noch einen Tag am See zu bleiben. Der Plan war, die Hügel hinaufzuwandern und Blumen zu fotografieren. Die Realität war, dass kirgisische Familien zum Picknick kamen und Billie mit den Kindern Frisbee spielte und wir beide später von zwei kirgisischen Männern in ein Gespräch verwickelt wurden, das sich lange hinzog und die Tagesplanung über den Haufen warf. Der Tag endete wie der davor mit einem kräftigen Gewitter und starkem Regen. Immerhin, so wurden Fahrzeug und Dachzelt endlich einmal vom Staub befreit. Wenn das Wetter stabiler gewesen wäre, wären wir sicherlich noch länger an diesem schönen Ort geblieben. So umrundeten wir den See auf einem schmalen Fahrpfad und genossen mit 10 Km/h die Ausblicke auf Jurten und Pferde, türkisblaues Wasser und Hochgebirge. Beim Fragen nach dem nicht immer erkennbaren Weg, bekam ein Reiter unser Tablet in die Hand – ein Bild von Moderne und Tradition, das wir leider nicht als Foto einfangen konnten. Im Nordosten des Sees häuften sich dann die Camps mit touristischen Jurten, denn Kirgisistan befindet sich im touristischen Aufbruch und dabei finden die Jurten einen vielfältigen Einsatz. Zurück ging es über den Kalmak-Pass (3446m) in Richtung Osten auf dem Weg an den Issyk-Kul, dem größten See Kirgisistans und Magnet für viele zentralasiatische und internationale Touristen.


















Kommentar
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Inge und Wilfrid
Das wilde Kirgistan in eindrucksvollen Bildern. Welch ein Gegensatz zu dem wohl eher etwas trostlosen Osch, wenn auch mit wegweisender Lenin-Statue – aber wohin (?)
Das mittlere Bild in der ersten Reihe ist eine perfekte Grafik, Schneefelder auf Berggrau. Die Höhe auf der Ihr Euch ständig bewegt läßt die Wetterextreme nur ahnen, aber das etwas blaustichige Bild mit Pajero und dunkler Wetterfront zeigt, da geht es gleich richtig los….
Und dann immer wieder das Augen verwöhnende Grün der Bergweiden mit Jurten, Pferden und Edelweiß und dazu Billies fliegende-Untertassen-Runde. Völkerverständigung in 2500m Höhe.
Bitte weiter so, und glückliche Fahrt für Euch. -
Julia
Wunderschön! Man erholt sich beim lesen und zuschauen gleich mit!
Till
Ich verfolge gespannt Ihren Blog und finde es toll, an den gesammelten Eindrücken und Erlebnissen teilzuhaben!
Es ist super interessant und ich stelle fest, dass ich über diese riesige Region kaum bis kein Wissen besitze. Umso schöner, dass ich durch den Blog Inspiration gefunden habe, mich damit näher zu beschäftigen.
Ich wünsche Ihnen beiden weiterhin eine wunderschöne, ereignisreiche und prägende Reise und dass Sie beide wieder gesund und munter Zuhause ankommen.
Bis hoffentlich bald und liebe Grüße
Till