Zentralasien

Leben in Usbekistan – ein paar Beobachtungen

Natürlich kann man nach knapp vier Wochen ein so großes Land wie Usbekistan nicht wirklich erfassen, zumal wenn man die Sprache nicht spricht und sich nur auf einige Begegnungen in Englisch,  Brocken in Russisch sowie Körper- und Gestensprache stützen kann. Wir haben die Steppe und Karakalpakstan, die großen Städte der ehemaligen Seidenstraßennetze, die mittleren und südlichen Bergregionen an der Grenze zu Tadschikistan kennengelernt und fahren jetzt nochmal ganz in den Süden an die Grenze zu Afghanistan, um von dort nach Tadschikistan einzureisen. Es fehlen die Hauptstadt Taschkent und das fruchtbare, dicht besiedelte Ferghana-Tal im Nordosten des Landes. Wenn wir nicht von Tadschikstan nach Kirgisistan aus einreisen können (die Grenze zwischen den beiden Ländern 
ist seit bewaffneten Auseinandersetzungen in 2022 geschlossen), werden wir wohl nochmal in den Norden Usbekistans einreisen, um von dort aus nach Kirgisistan zu gelangen. Grenzen sind hier ein echtes Thema – schaut Euch dieses Dreiländereck mal auf der Landkarte an.
Zurück zu Usbekistan. Es  ist in seiner Struktur prinzipiell ein sehr dezentrales Land. Die Regionen werden gefördert und von den Menschen erhalten. Das wird auch offiziell durch das System der Mahalla, einer Art nachbarschaftlichen Gemeindestruktur, gelebt. Sie ist nach der Familie die nächstgrößere soziale Einheit und wird durch den Staat unterstützt, um in diesem sozialen Raum das Gemeinwesen zu stärken und soziale Konflikte zu entschärfen – gewissermaßen eine  vorbeugende Sozial- und Gesellschaftpolitik. Auch gibt es in jedem noch so kleinen Ort eine gewisse Infrastruktur, die das zum Leben Notwendige bietet. Kleine Läden, nicht nur bei den Lebensmitteln, beherrschen den Konsum. Dazu kommen Basare, die nicht selten auf belebten Straßen ihre Waren anbieten, eine Art Ansammlung fliegender Händler. In größeren Orten konzentrieren sich die jeweiligen Bereiche: kleine Baumärkte, Holzhändler, Textilien, Drogeriewaren, Konditoreien (in Usbekistan mag man es süß!) usw. Die „Wettbewerber“  befinden sich also nebeneinder und man kann von einem Laden und einem Stand zum nächsten gehen, um nach Qualität und Preis zu fragen. Selten geht das ohne feilschen.
Zu dieser Struktur passt die Mobilität. In Usbekistan gibt es überraschend viele PKW’s, aber anders als im Westen Kasachstans sind es hier Klein- und untere Mittelklassewagen, vor allem von der vor Ort produzierten Marke Chevrolet (Konzernmarke von GM). Die Fahrzeuge sind ganz überwiegend gasbetrieben und zu 90% weiß. Chevrolet Usbekistan baut auch den Kleinbus Damas, der in allen Städten, aber auch überland das Straßenbild beherrscht. Diese quirligen Kleinbusse (eigentlich wohl 7-Sitzer, in echt aber gern auch mit 10 Fahrgästen bestückt) sind das Kernstück der dezentralen Mobilität – sie fahren überall hin, halten an jedem Ort auf Zuruf und sind ein sehr billiges und flexibles  Fortbewegungsmittel. Usbekistan ist bemüht neben der dominierenden Rohstoff- und Bauwirtschaft seine industrielle Basis zu stärken, v.a. im Fahrzeugbau. Neben Chevrolet gibt es in Taschkent ein MAN-Bus-Werk sowie Standorte für landwirtschaftliche Maschinen.
In Usbekistan liebt man das Picknick, raus an einen schönen Ort mit Freunden oder Familie – auch hier ordert die Kleingruppe ohne Auto gern einen Damas und lässt sich an den Wunschort karren. Dann gibt es in aller Regel gegrilltes Schaschlik  – die absolute Nr. 1 beim Essen – , Salat und Brot, nicht zu vergessen was Süßes. Aber der Kern ist Fleisch und das obwohl das Gemüseangebot wirklich vielfältig ist. Es gibt Huhn, Lamm und vor allem Rind. Vor allen Dingen Rinder werden in mittleren bis großen Herden gehalten, die frei in der Natur grasen und von Hirten (auch Hirtinnen) von einem Hang zum nächsten oder von einer Wiese zur nächsten getrieben werden. Bei großen Herden kommen auch Pferde zum Einsatz (siehe Beitrag Zaamin-Nationalpark).
Die Menschen begegnen uns aufgeschlossen und interessiert, höchstens mal gleichgültig, aber immer unaufgeregt. Es gibt überhaupt keine Abneigung gegen das Fremde, im Gegenteil eher Interesse, wo wir herkommen und wie es uns gefällt. Sehr viele wollen ein Foto mit uns machen. Beim freien Campen gab es bisher kein Problem, höchsten mal Neugierde und ein grüßendes Hupen bei vorbeifahrenden Fahrzeugen.    

Kommentar

  • Inge und Wilfrid

    Euer Foto vom Mirabellenbaum lädt zum „Träumen“ ein. Kein Wunder, dass nicht weit von dort die Geschichte vom Paradies entstand. Obwohl die Jahrtausende Menschheitsgeschichte bisher nicht paradiesisch war, aber man kann bei einem solchen Anblick ruhig mal träumen……
    Tschüss, und macht bitte weiter so

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