Osch – unser Tor nach Kirgisistan
Wenn man aus dem Ferganatal ins kirgisische Osch fährt, merkt man eigentlich nicht, dass ein neues Land beginnt, wären da nicht die Grenzen, die einen mit Zäunen, Toren und Uniformierten doch wieder darin erinnern. Es ist eine Region, die im historischen Prozess auseinandergerissen wurde. Osch liegt unmittelbar an der usbekisch-kirgisischen Grenze, die wir diesmal in nur 45 Minuten passieren konnten. Zum ersten Mal trafen wir auf gnädige, ja freundliche Zöllner der Usbeken, sehr professionell, und die kirgisische Seite zeigte sich zackig und pragmatisch.
Obwohl Osch über 3000 Jahre alt ist und fester Bestandteil des Seidenstraßennetzes war, ist Osch auf den ersten Blick nicht als historische Stadt zu erkennen, wie etwa Buchara oder Samarkand. Die Verwüstungen des Dschingis Khans im 13. Jahrhundert wurden hier nicht wieder aufgebaut. So ist Osch, das in der Sowjetzeit vor allem wichtiges Zentrum der Textilindustrie war, heute als zweitgrößte Stadt Kirgisistans mit 350000 Einwohnern eine ganz normale Stadt zum Leben und Arbeiten. Osch ist zugleich Handelszentrum für den Pamir (bei offenen Grenzen) und vermutlich in Zukunft auch ein zentralasiatisches Tor für chinesische Waren in die westliche Richtung. Die Stadt ist lebendig im Alltag, aber auch etwas abgewrackt, mit wenig Prestigeobjekten. Ein gewisser Sowjetcharme kennzeichnet die Stadt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Stadt ihre letzte Modernisierung der sowjetischen Periode zu verdanken hat, etwa die großen Hauptachsen und große Teile der öffentlichen Infrastruktur. Da passt es, dass sich eine riesige Lenin-Statue auch weiterhin in zentraler Lage befindet. Hauptattraktion ist der Suleiman-Berg (1110m), der über der Stadt thront und von dem aus man alle Richtungen überblicken kann. Er gilt als heiliger, muslimischer Berg und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für in- und ausländische Touristen, die dort auch ein nationales historisches und archäologische Museum besuchen können. Seit 2009 gehört der Suleiman-Berg als erster Ort Kirgisistans zum Unesco-Weltkulturebe.
Die Stadt steht allerdings auch für unrühmliche ethnische Konflikte, insbesondere 1990 in der Auflösungsphase der Sowjetunion, aber auch 2010, als bei Konflikten zwischen Kirgisen und Usbeken über 110 Menschen getötet wurden und 10000ende nach Usbkistan flüchteten. Plakate in der Stadt mit Handshake zwischen dem kirgisischen Präsident Dschaparow und dem usbekischen Präsident Mirziyoyev sollen zeigen, dass diese Zeiten der Vergangenheit angehören. Ob das stimmt, ist als Beobachter schwer zu beurteilen – angesichts des fortwärenden Konflikts auch mit Tadschikistan, mitsamt der bis heute geschlossenen Landesgrenze, erscheint die gesamte Region doch ziemlich fragil.













Schreibe einen Kommentar